CO2 richtig dosieren
In der Vergangenheit habe ich schon mehrfach von verlustreichen Unfällen im Zusammenhang mit der CO2-Dosierung erfahren müssen. Das war der Grund für diesen Text.
Themen
1. Allgemein
2. Was machen wir?
3. Wie kann man eine Überdosierung verhindern?
4. Wie wird der Controller eingestellt?
5. Mit Controller kann doch nichts mehr passieren, oder?
6. Wie erfolgt die Einleitung?
7. Welcher Dauertest ist sinnvoll?
8. Was kann man noch verbessern?
1. Allgemein
Ein großer Teil der bepflanzten Süsswasseraquarien verfügt über eine CO2-Zuführung. Ob dies durch eine Zuckervergärung oder eine Druckgasflasche erfolgt, ist in diesem Falle sekundär. Wichtig ist lediglich, dass eine Überdosierung ausgeschlossen werden kann. Dazu sollte die CO2-Konzentration einen Wert von 20-30 mg/l nicht dauerhaft überschreiten. Vor allem sauerstoffbedürftige Fische reagieren sehr empfindlich auf überhöhte CO2-Konzentrationen.
Zu niedrige CO2-Konzentrationen sind für Fische eigentlich gar nicht möglich und stellen lediglich für die Pflanzen ein Problem dar. Daher wird diese Situation hier nicht weiter erörtert.
2. Was machen wir?
Die gewissenhafteren Aquarianer gehen so vor: Es wird die (vermeintliche) Karbonathärte* gemessen und dann gemäß Tabellenwerten oder Berechnungstools ein pH-Wert bestimmt, der mit der gewünschten CO2-Konzentration korreliert. Wenn ein CO2-Controller vorhanden ist, stellt man dann diesen pH-Wert als Vorgabe ein und entspannt sich. Schließlich ist alles in bester Ordnung. Oder etwa doch nicht?
Leider doch nicht. Diese Vorgehensweise setzt nämlich voraus, dass sich die Karbonathärte nicht mehr verändert (auch nicht beim Wasserwechsel) und dass keine anderen sauren Substanzen im Aquarienwasser sind. Dummerweise passieren genau diese Sachen. Das Wasser beim nächsten Wasserwechsel ist dummerweise etwas härter, der pH-Wert steigt und der CO2-Controller hält tapfer dagegen. Schon ist die CO2-Konzentration im kritischen Bereich. Ungefährlicher ist da schon die Einbringung von Eichenlaub, Erlenzapfen oder neuem Moorkienholz. Diese Zugaben enthalten Huminsäuren und Tannine, welche das Wasser ansäuern. Der Controller will auch hier korrigieren und stellt die CO2-Zufuhr ab.
Abgesehen davon können ganz normale Vorgänge im Aquarium zu einer schleichenden Veränderung der Wasserinhaltsstoffe und -werte führen. Eine kräftige Fütterung mit proteinreichem Futter (z.B. schwarze Mückenlarven) führt zu einem Ansteigen der Nitratkonzentration und einem Absinken des pH-Wertes. Denitrifikation hat den umgekehrten Effekt. Das ist allerdings völlig normal und bei regelmäßigem umfassenden Wasserwechsel auch unproblematisch.
Problemstellung
Wie wir jetzt erfahren haben, kann es trotz eines Controllers zu Situationen kommen, in denen der CO2-Wert aus dem Ruder läuft. Wie kann das denn passieren? Er misst doch permanent den pH-Wert?
Genau da ist der Haken. Wir haben ein Dosiersystem, das nicht die Konzentration des zu dosierenden CO2 misst, sondern einen idealerweise daraus resultierenden pH-Wert. Leider wird der pH-Wert, wie oben beschrieben, von anderen Substanzen und Ereignissen ebenfalls beeinflusst und ist ein Resultat der Summe all dessen. Wir verwenden also den pH-Wert als Krücke. Bislang gibt es leider noch kein bezahlbares CO2-Messgerät, das man in der Aquaristik als Controller einsetzen kann. Wir werden die Krücke also noch weiter verwenden müssen. Vielleicht.
* = In Wirklichkeit messen wir mit den KH-Tropftests (oder Stäbchen) das Säurebindungsvermögen bis pH 4,3 kurz SBV. Das bezeichnet den Verbrauch an Säure um im Testwasser den pH-Wert auf pH 4,3 abzusenken. Es wird also eine Aussage über das Säurepufferungsvermögen getroffen. Falls gewünscht, kann ich dazu noch eine genauere Erklärung hinzufügen.
3. Wie kann man eine Überdosierung verhindern?
Eigentlich ganz einfach: Durch permanente Messung der CO2-Konzentration. Fast jeder hat die entsprechenden Dauertests schon in den Fingern gehabt. Das Prinzip ist simpel. Ein durchsichtiges Behältnis enthält eine Indikatorlösung, die etwa die Hälfte des Raumes füllt. Die über der Flüssigkeit befindliche Luftblase stellt gleichzeitig die Verbindung zum Aquarienwasser dar. Eine direkte Verbindung Indikator-Aquarienwasser gibt es nicht. Im Aquarium montiert, stellt sich nach etwa 2-3 Stunden ein Gleichgewicht zwischen der CO2-Konzentration im Aquarienwasser und in der Indikatorlösung ein. Die dazu notwendige Diffusion erfolgt ausschließlich über die Luftblase. Die Indikatorlösung hat sich dann entsprechend der aktuellen CO2-Konzentration gefärbt. Meistens grün. Je nach Indikatorlösung (Herstellerangaben!) liegt der Punkt der optimalen Färbung bei einer genau festgelegten CO2-Konzentration. Man muss dazu nur die passende Indikatorlösung – z.B. für 20 mg/l – kaufen und einfüllen.
Bei manchen Aquarianern sind diese Dauertests völlig zu Unrecht in Misskredit geraten. Hier wurde meist gemäß Karbonathärte- und pH-Messung ein CO2-Gehalt errechnet, den der Dauertest naturgemäß nicht bestätigt hat. Weil die Berechnung einfach nicht stimmte. Der Grund waren die oben erwähnten „störenden“ Substanzen.
Tatsache ist: Bevor man die Anzeige des CO2-Dauertests in Zweifel zieht, sollte man unbedingt die eigene Berechnung in Frage stellen. Die Dauertests sind ein nassanalytisches Verfahren, mit dem der tatsächliche CO2-Gehalt ermittelt werden kann.
4. Wie wird der Controller eingestellt?
Zunächst wird der rechnerisch (oder tabellarisch) ermittelte pH-Wert entsprechend der gewünschten CO2-Konzentration am Controller eingestellt. Die Einleitung von CO2 wird aber noch nicht gestartet. Parallel dazu wird der Dauertest befüllt und montiert. Der Montageort sollte gut umströmt und möglichst weit vom Ort der CO2-Einleitung entfernt sein. Nach 2-3 Stunden ist die Indikatorlösung im Gasgleichgewicht mit dem Aquarienwasser. Ergibt die Beurteilung der Indikatorfärbung erwartungsgemäß einen zu niedrigen CO2-Gehalt, dann kann die Einleitung von CO2 in Betrieb genommen werden.
Ab dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme müssen der aktuelle pH-Wert am Controller und die Farbänderung der Indikatorflüssigkeit beobachtet werden. Am besten im stündlichen Rhythmus. Auf keinem Fall darf man das System unbeaufsichtigt lassen, wenn sich schon Fische und/oder Garnelen im Aquarium befinden! Sobald die Färbung der Indikatorlösung im Dauertest den Arbeitspunkt erreicht hat, wird der angezeigte pH-Wert als neuer Arbeitspunkt im Controller abgespeichert. So weit, wenn keine der genannten störenden Substanzen gegenwärtig sind.
Beim Einsatz pH-Wert senkender Substanzen (Eichenlaub, Erlenzapfen, Torf, Moorkienholz, pH-minus, KH-Minus und noch einiges mehr) wird die Indikatorlösung beim Erreichen des berechneten pH-Wertes noch nicht den Arbeitspunkt anzeigen. Das ist zu erwarten, da die Ansäuerung des Wassers nicht über das CO2, sondern über andere Substanzen erfolgte. Jetzt muss der neue Arbeitspunkt ermittelt werden. Dazu wird am Controller ein etwas niedrigerer pH-Wert vorgegeben und weiter CO2 eingeleitet. Dieses weitere Absenken sollte unbedingt langsam und nur unter Aufsicht passieren. Also nicht über Nacht weiter absenken! Maximal 0,2-0,3 pH-Einheiten pro Tag, da die Indikatorlösung mit einer Zeitverzögerung von 2-3 Stunden reagiert. So lange, bis die Indikatorlösung den Arbeitspunkt anzeigt. Dann wird auch hier der angezeigte pH-Wert als neuer Arbeitspunkt im Controller abgespeichert.
5. Mit Controller kann doch nichts mehr passieren, oder?
Auch bei der Verwendung von Controllern kann es zu CO2-Vergiftungen kommen. Die Ursachen sind dann meist klemmende Magnetventile, falsch kalibrierte bzw. defekte pH-Elektroden oder das unbewusste Anheben der Karbonathärte durch Wasserwechsel mit härterem Wasser. In der Mehrzahl der Fälle liegt die Ursache jedoch beim Aquarianer selbst, der unbedingt seinen gewünschten pH-Wert haben will. In all diesen Situationen stellt der Einsatz eines Dauertests ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitselement dar, zeigt er doch jederzeit auf einen Blick, ob die CO2-Konzentration noch im Rahmen liegt.
Eigentlich müsste so ein Dauertest zum Lieferumfang jedes CO2-Controllers gehören. Zumindest, solange die Zufuhr von CO2 über die Messung des pH-Wertes erfolgt und nicht über die „echte“ CO2-Konzentration. Vielleicht bringt die Zukunft ja so ein Gerät? Zur Sicherheit arbeite ich schon mal dran. . . 😉
6. Wie erfolgt die Einleitung?
Merke: Hektik ist hier fehl am Platz!
Um die Einleitung kontrollieren zu können, wird normalerweise ein Blasenzähler eingesetzt. Er liefert die Information, ob und wie schnell das CO2 eingeleitet wird, indem man die Anzahl der Blasen pro Minute zählt. Die Zuströmgeschwindigkeit darf nicht zu hoch eingestellt werden. Einen Vorgabewert kann ich hier nicht nennen, da jedes Aquarium einen anderen CO2-Bedarf hat. Daraus ergibt sich natürlich für jedes Aquarium eine andere Blasenzahl.
Zur Sicherheit sollte man sich der richtigen Blasenzahl immer von unten nähern. Also lieber zu Beginn eine zu niedrige Zuströmgeschwindigkeit. Sollte die gewünschte CO2-Konzentration damit nicht erreicht werden, kann man die Blasenzahl immer noch erhöhen. Erfahrungsgemäß kann es recht lange dauern, bis die CO2-Konzentration den Wert erreicht, der ihrer Zuströmgeschwindigkeit entspricht. Daher ist es besser, die Blasenzahl nur einmal pro Tag zu verändern und zu beobachten wie das Resultat ausfällt.
Grundsätzlich gilt, dass die Zuströmgeschwindigkeit gerade noch ausreichend sein sollte, um die gewählte CO2-Konzentration halten zu können. Man kann es auch daran erkennen, dass das Magnetventil praktisch rund um die Uhr geöffnet sein muss, damit genügend CO2 ins Becken kommt. So kann einer CO2-Vergiftung durch ein verklebtes Magnetventil vorgebeugt werden.
7. Welcher Dauertest ist sinnvoll?
An dieser Stelle möchte ich eine Empfehlung aussprechen für eine bestimmte Sorte Dauertests. Zur Zeit sind nämlich (noch) zwei verschiedene Verfahren auf dem Markt. Der Unterschied betrifft die Handhabung der Indikatorflüssigkeit. Bei Verfahren Nummer eins wird der Testbehälter mit etwas Aquarienwasser gefüllt und gemäß der Anleitung der Indikator dazu getropft. Bei Verfahren Nummer zwei wird die Indikatorlösung unvermischt in den Testbehälter gefüllt. Beim zweiten Verfahren erfolgt die Messung völlig unbeeinflusst von der Wasserfärbung oder -trübung. Auch im Aquarienwasser enthaltene Substanzen, egal welcher Art, haben keinen Einfluss auf die Messung. Daher wechseln immer mehr Hersteller von CO2-Dauertests bei ihrem Produkt auf das zweite Verfahren. Indikatorlösungen, die ihren Arbeitsbereich auf einer genau definierten CO2-Konzentration haben, gibt es ohnehin nur für das zweite Verfahren. Das macht die Entscheidung leicht.
Grundsätzlich kann man jeden Behälter mit jeder Indikatorlösung betreiben. Das Prinzip ist bei allen identisch. Auch der Indikator (Bromthymolblau) wird von allen verwendet.
Prinzipiell kann man sich die Indikatorlösung auch selbst herstellen. Bromthymolblau gibt’s über das Netz oder in der Apotheke. Ansonsten braucht man nur Natriumcarbonat (Na2CO3) und destilliertes Wasser. Will man einen Arbeitsbereich bei 20 mg/l CO2, dann rührt man sich eine Natriumcarbonat-Lösung mit einer Karbonathärte von 3 an. Für einen Arbeitsbereich bei 30 mg/l CO2 braucht man KH 4. Bitte die KH sorgfältig einstellen! In die fertige Lösung wird jetzt das Bromthymolblau eingerührt. So viel, bis die Farbe eine kräftige Intensität zeigt. Fertig ist der Indikator. Wenn ich ehrlich bin, muss ich allerdings zugeben, dass ich (aus reiner Faulheit) die fertige Indikatorlösung kaufe. 🙂
8. Was kann man noch verbessern?
Seit Dezember 2014 experimentiere ich mit mehreren von mir modifizierten pH-Elektroden. Aufbau und Funktionsweise dieser Elektroden habe ich in einem separaten Text beschrieben.
Damit ist es möglich, den CO2-Controller direkt die echte CO2-Konzentration messen zu lassen. Der pH-Wert des Aquarienwassers spielt dann keine Rolle mehr und wird auch zur Messung nicht benötigt. Auch bei Änderungen der Karbonathärte ist keine Anpassung des Regelpunktes erforderlich. Selbst das Hinzufügen von Säuren oder Laugen wird die Messung nicht beeinflussen.
Nach etlichen Experimenten in einem unbesetzten Versuchsbehälter habe ich Mitte Januar 2015 damit begonnen, den ersten Prototyp unter strenger Beobachtung in einem laufendem Aquarium zu betreiben. Da mein Prototyp im Testbetrieb problemlos funktionierte, habe ich Ende März 2015 ein weiteres, verändertes Exemplar in Betrieb genommen. Eine Beschreibung der Konstruktion und der Varianten findet sich ebenfalls in diesem separaten Text.
Inzwischen hat das Konstrukt seine Praktikabilität im Alltag bewiesen. Zur Langzeitstabilität kann ich mittlerweile sagen, dass die von mir eingesetzten Gel-Elektroden eine eher etwas längere Betriebsdauer erreichen, als direkt im Aquarienwasser eingesetzte Exemplare. Sicher ist auch, dass der Umbau nicht mehr als den Gegenwert einer Dose Trockenfutter und etwas handwerklichen Einsatz kostet.
Für Anregungen und inhaltliche Wünsche zu diesem Text bin ich dankbar.
Ich habe versucht, die Zusammenhänge allgemeinverständlich zu formulieren.
Falls dennoch Klärungsbedarf besteht, werde ich dem gerne nachkommen.
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