Keimzahlbestimmung

Wenn Aquarianer zusammenkommen, wird des Öfteren über Bakterienbelastungen diskutiert. Natürlich sind alle davon überzeugt, dass in ihren Aquarien niedrige Keimzahlen vorliegen und jeder kann genau darlegen, warum das so ist. Dennoch gründen viele angeblich gute Argumente auf reiner Spekulation. Dieser Text soll etwas Klarheit schaffen.

Themen:

1. Wie sieht die Realität aus?
2. Was braucht man für eine Keimzahlbestimmung?
3. Wie läuft eine Keimzahlbestimmung ab?
4. Der Versuchsablauf
5. Ergebnisse
6. Abschätzung der Genauigkeit
7. Auswertung
8. Fazit

1. Wie sieht die Realität aus?

Nur die wenigsten haben in ihrem Aquarium bereits eine Keimzahlbestimmung vorgenommen. Deshalb ist die Wahrheit meist eine völlig andere. Meine Erfahrung ist, dass etwa 90 % aller persönlichen Einschätzungen der Keimzahl (um Zehnerpotenzen) zu niedrig liegen.

Schuld daran ist auch in gewissem Maße der Handel, weil er uns suggeriert, man könne durch simples Hinzufügen diverser Produkte (Wässerchen, Pülverchen, Blätter…) die Keimzahl günstig beeinflussen. Erste Zweifel kommen, wenn man mal ernsthaft darüber nachdenkt, wie das funktionieren soll. Darum stellt sich die Frage: Macht es Sinn, organisches Material einzubringen, das selbst zersetzt wird und damit als Bakterienfutter dient?

Ja, Torf, Seemandelbaumblätter, Erlenzapfen und irgend welche Blätter enthalten Substanzen, die das Bakterienwachstum hemmen. Aber wie lange hält das vor? Reicht denn der Effekt im mollig warmen Bakterienparadies Aquarium überhaupt aus? Wenn ja, wann ist die Wirkung erschöpft und der Effekt dreht sich ins Gegenteil um? Ohne nachvollziehbare Messwerte gibt es dafür keinen Beleg.

Mancher Aquarianer wäre entsetzt, wenn er wüsste, wie gering die Wirksamkeit dieser Hilfsmittel wirklich ist. Nur – dazu muss er erst mal die Keimzahl bestimmen. Das ist so einfach, dass es jeder kann. Aber leider weiß das fast niemand. Schon seit geraumer Zeit bietet der Handel praktische Sets zu vernünftigen Preisen an. Die gibt’s im Laborbedarf oder auch bei dem großen Online-Versandhaus mit dem an Südamerika erinnernden Namen. Diese Sets werden verwendet, um die Keimbelastung von Wasserbetten zu kontrollieren. Offiziell werden diese Sets gerne als Möglichkeit zur Bestimmung der Gesamtkeimzahl dargestellt. In der Praxis misst man damit aber die Anzahl der koloniebildenden Einheiten (KBE). Für aquaristische Zwecke ist das hinnehmbar.

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2. Was braucht man für eine Keimzahlbestimmung?
Set zur Keimzahlbestimmung
Set zur Keimzahlbestimmung

An weiterem Hilfsgerät benötigt man aber neben dem Prüfset einen Inkubator (Brutschrank), in dem die genommene Probe nach Anleitung ausgebrütet wird. Natürlich hat kein Normalbürger einen Inkubator. Aber das ist auch gar nicht notwendig. Weil man den praktisch zum Nulltarif blitzschnell selbst bauen kann. Dazu nimmt man einen Eimer mit Wasser, in den man einen Heizstab steckt. Den Eimer mit einem Plastikdeckel oder einem Stück Styropor abdecken. Fertig. Da kann man dann das Probenröhrchen reinschmeißen, weil das ja wasserdicht verschraubt ist.

Wem der Aufwand mit dem Eimer immer noch zu viel ist, der kann die Proben auch bei Zimmertemperatur „inkubieren“. Billiger geht’s nicht! Zu beachten ist lediglich, dass durch die niedrigere Temperatur die Vermehrung naturgemäß langsamer vonstatten geht. Daher dauert es länger, bis die Proben bereit zum Auswerten sind. Was im Inkubator in 48 Stunden passiert, dauert bei Zimmertemperatur etwa die doppelte Zeit. Die Baskerville&Emin-Berechnung lässt grüßen. 🙂 Damit störende Effekte durch Lichteinfall ausgeschlossen werden können, ist es anzuraten, dass die verschlossenen Probenbehälter für die Dauer der Inkubation in Alufolie eingewickelt werden.

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3. Wie läuft eine Keimzahlbestimmung ab?

Die eigentliche Probenahme ist recht einfach. Man muss allerdings darauf achten, dass man das Plättchen mit dem Nährboden auf keinen Fall berührt. Sobald das Proberöhrchen geöffnet wurde, muss die Probenahme unmittelbar beginnen. Solange das Röhrchen offen ist, nicht niesen oder husten, am besten nicht einmal in die Richtung von Röhrchen oder Nährboden ausatmen. Weil eine Fremdverkeimung unbedingt vermieden werden muss.

Der Nährboden ist gemäß Gebrauchsanweisung in das Aquarienwasser einzutauchen. Dabei sollte der Schraubdeckel trocken bleiben. Vor dem Zusammenschrauben sind am unteren Rand des Nährbodens hängende Wassertropfen mit einem frischen, bereit liegenden Einweg-Küchentuch aus Papier kurz abzutupfen. Dabei die Kulturfläche nicht berühren. Denn je sauberer und je zügiger die Probenahme vonstatten geht, desto mehr Aussagekraft hat das Ergebnis.

Ich habe während einer Versuchsreihe gleich mehrere Keimzahlbestimmungen für mein großes Aquarium vorgenommen. Damit möchte ich zeigen, dass ein UV-C Klärer in Bezug auf die Bakterienbelastung einen wirklich großen Einfluß hat. Die Hintergründe zu diesen Geräten kann man in meinem Text Pro und Contra UV-C Klärer nachlesen. Während der Versuchsreihe wurde lediglich der UV-C Klärer aus- und wieder eingeschalten. Ansonsten wurden keine weiteren Aktionen vorgenommen und in der üblichen Menge und Häufigkeit gefüttert, weil das Ergebnis auf die Realität übertragbar sein soll.

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4. Der Versuchsablauf

Verwendet wurden zweiseitige Combi-Tests. Mit diesen können sowohl Bestimmungen der Anzahl der KBE für Bakterien, als auch für Hefen und Pilze vorgenommen werden.

Zur Probenahme wurde der Probenträger für exakt 10 Sekunden (Stoppuhr!) in das Aquariumwasser getaucht. Am unteren Trägerrand anhängende Wassertropfen wurden danach mit einem neuen Blatt Küchenpapier abgetupft. Danach wurde die Probe sofort wieder verschlossen und inkubiert. Dann wurde dieser Ablauf wurde für jede weitere Probe möglichst identisch wiederholt. Jede genommene Probe befand sich anschließend für exakt 48 Stunden bei 32°C im Selbstbau-Inkubator.

Es wurde zunächst eine Probe genommen.
Anschließend wurde der UV-C Klärer ausgeschaltet.
Weitere Proben wurden nach 2, 4, 6, 12 und 24 Stunden genommen.
Danach wurde der UV-C Klärer wieder eingeschaltet.
Erneut wurden Proben nach 2, 4, 6, 12 und 24 Stunden genommen.
Nach Ablauf der Inkubatorzeit wurde die Seite für Bakterienkulturen von jeder einzelnen Probe fotografiert, beurteilt, erneut verschlossen und für weitere 24 Stunden inkubiert.
Nach der zweiten (oder verlängerten) Inkubation wurde die Seite für Hefen und Pilze jeder Probe fotografiert.

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5. Ergebnisse

Während der gesamten Messungen konnten keine Pilze oder Hefen festgestellt werden. Das ist ein wichtiger Hinweis. Denn das Auftreten von Pilzen ist ein sicheres Zeichen für ein moderndes Stück Holz. Alle nachfolgenden Betrachtungen betreffen daher ausschließlich die Bakteriendichte. Dennoch sind die Kulturflächen für Hefen und Pilze auf den Bildern dokumentiert.

Die für 48 Stunden inkubierten Proben wurden geöffnet und der Bakteriennährboden zur Dokumentation fotografiert. Nach weiteren 12 Stunden Inkubation erfolgte der gleiche Vorgang mit dem Nährboden für Pilze und Hefen. Die Einordnung der KBE erfolgte durch augenscheinlichen Vergleich mit dem Ausdruck des Herstellers. Die angegebene Zahl benennt die Anzahl der keimbildenden Einheiten (KBE) pro ml Aquarienwasser. Die ermittelbaren Werte sind Zehnerpotenzen von 102 KBE bis 107 KBE.

UV-C wird ausgeschaltet:
  • Die Probe vor dem Ausschalten: ca. 10<sup>2</sup> KBE
    Die Probe vor dem Ausschalten: ca. 102 KBE

Die Probe vor dem Ausschalten: 102 KBE
2 Stunden nach dem Ausschalten: 103 KBE
4 Stunden nach dem Ausschalten: 103 bis 104 KBE
6 Stunden nach dem Ausschalten: 103 bis 104 KBE
12 Stunden nach dem Ausschalten: 104 KBE
24 Stunden nach dem Ausschalten: 105 KBE

UV-C wird eingeschaltet:
  • 2 Stunden nach dem Einschalten: ca. 10<sup>4</sup> bis 10<sup>5</sup> KBE
    2 Stunden nach dem Einschalten: ca. 104 bis 105 KBE

2 Stunden nach dem Einschalten: 104 bis 105 KBE
4 Stunden nach dem Einschalten: 104 KBE
6 Stunden nach dem Einschalten: 104 KBE
12 Stunden nach dem Einschalten: 102 bis 103 KBE
24 Stunden nach dem Einschalten: 102 KBE

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6. Abschätzung der Genauigkeit

Hier muss man sich im Klaren darüber sein, dass es sich um eine vereinfachte Methode zur Keimzahlbestimmung handelt. Die Genauigkeit einer mikroskopischen Auszählung, wie sie in Labors vorgenommen wird, kann damit nicht erreicht werden. Dennoch ist das angewandte Verfahren für die Aquaristik völlig ausreichend. Schließlich haben wir zuhause auch keinen Ionenchromatographen zur Analyse stehen, sondern begnügen uns mit Tropftests.

Erschwerend kommt in diesem speziellen Fall hinzu, dass es sich nicht um mehrere Messungen ein und der selben Probe handelt, sondern um eine Serie von Einzelmessungen unter sich ändernden Bedingungen. Es kann also keine Aussage zur Reproduzierbarkeit der Einzelergebnisse gemacht werden. Weder systematische noch zufällige Fehler können vernünftig abgeschätzt werden. Die erhaltenen Messwerte wurden zwar mit konkreten Zahlen benannt, es muss aber klar sein, dass systematische und zufällige Abweichungen unbekannter Größe existieren.

Mögliche Fehler, die sich in Abweichungen von dem erwarteten Wert zeigen, sind beispielsweise Fütterungen, Futterpausen, Temperaturschwankungen, Änderungen der Wasserwerte, der Beleuchtung und ähnliches.

Weil jedoch alle Proben strikt nach der selben Vorgehensweise genommen und inkubiert wurden, kann man in erster Näherung davon ausgehen, dass mögliche systematische Fehler alle Proben gleichermaßen betreffen. Es ist also durchaus statthaft, daraus eine Tendenz über den Probenahmezeitraum zu postulieren.

Klartext: Für aquaristische Zwecke ausreichend.

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7. Auswertung

Es wurde keine Bestimmung der Bakterienarten vorgenommen, weil mir dafür die Möglichkeiten fehlen. Vereinfacht wird davon ausgegangen, dass das Bakterienspektrum während der Versuchsdauer unverändert war.

Zu Beginn der Messungen wurde als Ausgangswert eine Bakterienbelastung von 102 KBE/ml festgestellt. Das ist ein Wert, wie er nur in sehr sauberen, unbelasteten Gewässern (Äschenregion, Diskusbiotop) zu finden ist. Verantwortlich dafür ist der eingesetzte UV-C Klärer.

Unmittelbar nach dem Ausschalten des UV-C Klärers beginnt folgerichtig die Bakterienbelastung zügig anzusteigen. Bereits nach 2 Stunden beträgt sie 103 KBE/ml, also das Zehnfache des Anfangswertes. Nach 24 Stunden wurde festgestellt, dass sie auf etwa 105 KBE/ml angestiegen ist. Das entspricht dem 1.000fachen des Ausgangswertes. Für die Geschwindigkeit des Anstieges ist nicht nur die Vermehrungsrate der Bakterien alleine verantwortlich. Denn von essentieller Bedeutung ist das Nahrungsangebot. Deshalb weist ein ständig überfüttertes Aquarium normalerweise horrende Keimzahlen auf. Aber selbst sparsam befütterte, mäßig besetzte Becken haben üblicherweise Keimzahlen, die um zwei bis drei Zehnerpotenzen über den natürlichen Werten liegen.

Aus früheren Versuchen weiß ich, dass der endgültige Maximalwert nach dem Ausschalten des UV-C Klärers nach spätestens 48 Stunden erreicht ist und zwischen 105 und 106 KBE/ml betragen kann. Dabei kann der höhere Wert bei stark besetzten Aquarien ohne Probleme überschritten werden. Das entspricht der Gewässergüteklasse III-IV (stark belastet). In natürlichen Gewässern ohne anthropogenen Einfluss sind solche Werte aber praktisch nicht vorhanden.

Nach erneutem Einschalten des UV-C Klärers sinken die Keimzahlen innerhalb von 24 Stunden kontinuierlich wieder bis auf den Ausgangswert von etwa 102 KBE/ml. Offensichtlich weil in der Versuchsanordnung die Keimtötungsrate deutlich höher als die Vermehrungsrate ist.

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8. Fazit

Es wird gerne von „guten“ und „bösen“ Bakterien berichtet. Aber das ist eine etwas naive Betrachtungsweise. Denn grundsätzlich vermehren sich Bakterien immer in Abhängigkeit von der Art des Futters, das ihnen zur Verfügung steht. Darum wird sich je nach Zusammensetzung der abbaubaren Substanzen eine ganz bestimmte Zusammenstellung von Bakterienarten etablieren. Ob sich eine bestimmte Bakterienart erfolgreich vermehrt, hängt ausschließlich vom Nahrungsangebot ab. Und das wiederum wird von den Pflegemaßnahmen des Aquarianers bestimmt. Denn jeder Fehler macht sich hier sofort bemerkbar.

Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass unsere Aquarien meist eine Bakterienbelastung aufweisen, die weit über den natürlichen Gegebenheiten liegt. Für die Fische bedeutet das zusätzlichen Stress, dem das Immunsystem Rechnung tragen muss und entsprechend stark gefordert ist.

Für den unbedarften Aquarianer ist das allerdings nicht erkennbar. Weil er glaubt alles richtig gemacht zu haben. So lange, bis er eine Keimzahlbestimmung durchführt. Was aber normalerweise nie passiert. Daher sterben immer wieder Fische nicht an Altersschwäche, sondern ganz plötzlich, oder nach langem Kränkeln. Manchmal mit typischen Symptomen (Flossenfäule, offene Geschwüre), ohne dass der Aquarianer die wahre Ursache erkennt. Das ganze kommt dann in die Schublade „unerklärliche Todesfälle“ oder es wird irgend einer Krankheit zugeordnet.

Was zu tun bleibt:

Dabei ist eine Abhilfe ganz einfach, was diese Versuchsreihe gezeigt hat. Denn durch den Einsatz eines richtig dimensionierten UV-C Klärers wird die Keimdichte zuverlässig und andauernd gesenkt. Die Hintergründe dazu kann man in meinem Text Pro und Contra UV-C nachlesen. Dort wird auch verständlich, warum UV-C Klärer Bestandteil meines AQUA-Konzepts sind. Denn die Wirksamkeit des UV-C Klärers lässt sich mit einer Keimzahlbestimmung leicht nachprüfen. Das ist sehr nutzbringend, wenn man bedenkt, dass die Strahlungsleistung der Röhre im Laufe der Zeit abnimmt.

Weil viele Aquarianer immer noch glauben, ihr wöchentlicher Wasserwechsel wäre dem gleichbedeutend:
Damit der Anstieg der Keimzahl in den ersten zwei Stunden nach dem Ausschalten mit einem Wasserwechsel kompensiert wird, müsste man 90 % des Wassers wechseln. Das muss dann alle zwei Stunden wiederholt werden, damit ein erneuter Anstieg ebenfalls ebenfalls verhindert wird. Tagtäglich. Rund um die Uhr. Jahrein, jahraus. Da ist der Betrieb eines UV-C Klärers bedeutend bequemer und preiswerter. 😉

Trotzdem kann ein UV-C Klärer den regelmäßigen Wasserwechsel nicht ersetzen, er ist vielmehr eine äußerst wirkungsvolle Ergänzung. Denn beim Wasserwechsel werden viele Substanzen entfernt, die als Bakterienfutter dienen. Diese regelmäßige Entfernung ist zur guten Wasserhygiene ebenfalls unabdingbar.

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Für Anregungen und inhaltliche Wünsche zu diesem Text bin ich dankbar.
Ich habe versucht, die Zusammenhänge allgemeinverständlich zu formulieren.
Falls dennoch Klärungsbedarf besteht, werde ich dem gerne nachkommen.

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